„Pro bono ist Teil gelebter Demokratie“
CMS Stiftung News · 15. Juli 2025
Ehrenamtliche juristische Beratung für gemeinnützige Organisationen ist in Zeiten wie diesen wichtig wie nie – so der Tenor der Veranstaltung im Rahmen der European Pro Bono Week, zu der CMS Stiftung und CMS Deutschland als Gastgeber nach Berlin eingeladen hatten. Welche hohe gesellschaftliche Bedeutung diese Art der Unterstützung hat, zeigt die Fusion der beiden Dachverbände für studentische Rechtsberatung.
Die parlamentarische Anfrage zur NGO-Finanzierung der Union im Bundestag, die Angst vor Verlust der Gemeinnützigkeit, rechtsextreme Schikane in den Kommunen – es war schon einmal einfacher, sich als Verein für die Gesellschaft zu engagieren. Kein Wunder also, dass der Pro Bono Deutschland e.V., das bundesweite Netzwerk engagierter Kanzleien und Anwält:innen, und die Pro-bono-Clearingstelle UPJ Pro Bono Rechtsberatung die diesjährige European Pro Bono Week unter das Motto „Pro-bono-Partnerschaften in Zeiten gesellschaftlicher Herausforderungen“ stellten. Die diesjährigen Gastgeber CMS Stiftung und CMS Deutschland luden dazu nach Berlin.
„Gemeinnützige Organisation leben in einer Zeit
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„Gemeinnützige Organisation leben in einer Zeit realer Bedrohungen durch rechtspopulistische Angriffe, den Entzug von Fördermitteln, gezielte Diffamierung“, sagte Stefanie Wismeth, Geschäftsstellenleiterin der CMS Stiftung, gleich zu Beginn der Veranstaltung. „Die Handlungsmöglichkeiten von Vereinen wird zunehmend eingeschränkt, wir leben in einer Zeit der Shrinking Spaces.“
Darauf verwies auch Dr. Siri Hummel, Direktorin des Maecenata Instituts für Philanthropie und Zivilgesellschaft in ihrer Keynote: „Die Handlungsspielräume der Zivilgesellschaft und der Raum für bürgerschaftliches Engagement und Partizipation im Allgemeinen verändern sich seit einigen Jahren dramatisch.“ Auch in Deutschland nähmen Angriffe und Beschränkungen der Zivilgesellschaft zu, 2023 wurde Deutschland im weltweit vergleichenden Index der bürgerschaftlichen Rechte (CIVICUS Monitor) zurückgestuft – von „offen“ zu „eingeschränkt“.
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„Die Handlungsspielräume der Zivilgesellschaft und der Raum für bürgerschaftliches Engagement und Partizipation im Allgemeinen verändern sich seit einigen Jahren dramatisch.“(Dr. Siri Hummel) |
Vor diesem Hintergrund ist die juristische Unterstützung der vielen Anwält:innen aus rund 50 Mitgliedskanzleien des Pro Bono Deutschland e.V. kaum zu überschätzen – und wirkt auch zurück in die Kanzleien. „Die Kooperation mit Gemeinnützigen führt zu neuen Perspektiven, zu fachlicher Weiterentwicklung und ermöglicht einen Blick in die Bedarfe der Zivilgesellschaft“, so Stefanie Wismeth. „Pro bono ist in diesem Verständnis beiderseitiger Hilfe Teil gelebter Demokratie.“
Wie die Unterstützung konkret aussehen und gesellschaftliche Wirkung entfaltet, darüber berichteten auch das Pro-bono-Tandem Dr. Philipp Koch, Anwalt bei CMS Deutschland und Thea Schäfer, Vorständin des Vereins „Dachverband Studentischer Rechtsberatungen“ (DSR). Der Hintergrund: Mit DSR und Refugee Law Clinics Deutschland e.V. (RLCD) gibt es (noch) zwei Organisationen, in deren Rahmen Studierende kostenlose Rechtsberatung anbieten – der RLCD mit migrationsrechtlichem, der DSR mit vor allem zivilrechtlichem Fokus. Beide Verbände und einzelne Law Clinics wurden in den vergangenen Jahren bereits von der CMS Stiftung gefördert, schließlich eint alle das gemeinsame Ziel: „Zugang zum Recht. Für alle.“
Im Jahr 2023 nahmen die studentischen Vorstände der beiden studentischen Dachverbände erste Gespräche mit dem Ziel einer möglichen Fusion auf. „Das ist im gemeinnützigen Bereich selten und rechtlich anspruchsvoll“, so Counsel Dr. Philipp Koch, ein Experte im Gesellschaftsrecht, der normalerweise Unternehmen bei Joint Ventures, Umstrukturierungen und Themen der Corporate Governance unterstützt.
Der Grund für die gewünschte Verschmelzung lag auf der Hand: „Doppelter Aufwand, doppelte Strukturen bei begrenzten Ressourcen“, so Thea Schäfer vom DSR. Zudem habe der RLCD wie so viele andere Organisationen mit Ehrenämtern beklagt, den halben Vorstand – drei Posten – jährlich kaum nachbesetzen zu können, so Schäfer, die derzeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Greifswald arbeitet und im Bereich Strafrecht promoviert. „Es machte einfach Sinn, dass wir uns zusammentun.“ Auch vor dem Hintergrund der politischen Großwetterlage sorgt eine Fusion zudem für mehr Schlagkraft – und Resilienz.
Doch der Weg zur baldigen Fusion ist bisher lang gewesen – und neben „anfänglichen Vorbehalten“ und daher „viel Überzeugungsarbeit in die Strukturen“ laut Schäfer mit einigen rechtlichen Hürden verbunden. Die angehenden Jurist:innen versuchten sich zunächst im Alleingang, stellten jedoch bald fest, dass sie einen Profi an ihrer Seite brauchten. Über CMSengage!, das gemeinsame Engagement-Programm von Stiftung und Sozietät, hat die CMS Stiftung mit Dr. Philipp Koch einen Rechts-Profi bei CMS Deutschland engagiert.
Die juristische Vorbereitung für die Fusion hatte ein extrem hohes Niveau“, erinnert er sich an den Beginn der Zusammenarbeit, „manchmal waren uns die Studierenden drei Schritte voraus, ich musste mich ziemlich strecken.
„Die juristische Vorbereitung für die Fusion hatte ein extrem hohes Niveau. Manchmal waren uns die Studierenden drei Schritte voraus, ich musste mich ziemlich strecken.“
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„Die juristische Vorbereitung für die Fusion hatte ein extrem hohes Niveau“, erinnert er sich an den Beginn der Zusammenarbeit, „manchmal waren uns die Studierenden drei Schritte voraus, ich musste mich ziemlich strecken. In vielen intensiven Online-Treffen über mehrere Monate wurden gemeinsam die rechtlichen Grundlagen für die Fusion erarbeitet, so dass die Mitglieder der jeweiligen Verbände im April 2025 in getrennten Online-Sitzungen die Verschmelzung beschließen konnten. Vorbehaltlich des Placets der Finanzämter erfolgt nun hoffentlich zügig die Eintragung ins Vereinsregister – womit dann auch ganz offiziell über 45 Law Clinics eine neue, alte Heimat finden.
Und wie lief die Zusammenarbeit der etwas ungleichen Partner aus studentischer Rechtsberatung und Wirtschaftskanzlei? „Sehr anders“, sagt Dr. Philipp Koch und lacht, „es war kein One Way, sondern auch ich habe Neues mitgenommen.“ Im Unterschied zu bezahlter Beratungstätigkeit habe man außerdem einen „höheren Grad an Eigenständigkeit“, weil kein:e Anwält:in auf Partnerebene involviert ist. Bemerkenswert: Anwält:innen leisten ihre Pro-bono-Beratung zusätzlich zum regulären Kanzleialltag. Ein Anwalt wie Koch nimmt das gerne in Kauf, weil „die Arbeit für die Gemeinnützigen Spaß und Sinn macht“.
Thea Schäfer und der Verband blicken nun optimistisch nach vorne: „Wir haben einen neuen Namen, eine gemeinsame Satzung und schaffen eine neue Marke.“ Man habe im September 2024 damit begonnen, an einer gemeinsamen Strategie zu arbeiten, für die – von einer Arbeitsgruppe weiterentwickelt – nun ein erster Entwurf vorliegt. Darin geht es um viele offene Fragen: Welche Arbeitsgruppen soll es geben? Wird der Vorstand vergrößert oder verkleinert? Wie kann das Wissensmanagement verbessert werden? Thea Schäfer: „Die Fusion ist insgesamt der perfekte Anlass, um das Profil nachzuschärfen und Probleme anzufassen.“
Ob es eine weitere Zusammenarbeit von Verein und dem Anwalt geben wird, etwa bei einer weiteren Satzungsänderung, ist noch offen. Koch geht davon aus, dass der zukünftige Verband dann fürs erste ausgestattet ist. „Aber“, sagt er in Richtung Thea Schäfer, „ihr könnt Euch natürlich jederzeit bei mir melden.“ Was aber heute schon feststeht: Die Zusammenarbeit zwischen CMS Stiftung und neuem Dachverband bleibt – nach den Sommerferien ist bei der Stiftung ein Arbeitstreffen mit dem neuen Vorstand geplant.