Die Stiftung Alltagsheld:innen hat mit Unterstützung der CMS Stiftung eine Rechtsberatungshotline für Alleinerziehende ins Leben gerufen. Die Ergebnisse der Evaluationsstudie zeigen den hohen Beratungsbedarf und offenbaren gleichzeitig die vielfältigen Herausforderungen für Ein-Eltern-Familien.
Heidi Thiemann ist ein wenig aufgeregt. Die Gründerin und Geschäftsführerin der Stiftung Alltagsheld:innen ist extra nach Berlin gereist, um auf Einladung von CMS Deutschland und der CMS Stiftung einigen geladenen Gästen die Ergebnisse einer Kooperationsstudie mit der Universität Bielefeld vorzustellen. Darin geht es um die Beratungserfahrungen und Bedürfnisse von Alleinerziehenden, die sich an die Rechtsberatungshotline der Stiftung Alltagsheld:innen gewandt haben. Viel Arbeit und auch finanzielle Mittel sind in die Studie geflossen. Doch schnell wird klar: Der Aufwand hat sich gelohnt. Vertreterinnen vom Berliner Netzwerk Alleinerziehender, vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin (WZB), vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter, vom Deutschen Juristinnenbund und von terre des femmes sind gekommen. Mit dabei ist auch die Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut (Die Linke).
Alleinerziehende fallen oft durchs Raster
Stefanie Wismeth, Leiterin der Geschäftsstelle der CMS Stiftung, begrüßt die Gäste. Alleinerziehende, sagt sie, seien eine Gruppe ohne Lobby, die in der Familienpolitik oft durchs Raster fallen. Dabei sind die Herausforderungen für Ein-Eltern-Familien enorm: Armutsgefährdung, ausbleibende Unterhaltszahlungen, Zeitmangel und Überlastung durch Carearbeit und Vollzeitjob, oder gar Gewalterfahrungen. Und den Zugang zum Recht können sich viele Alleinerziehende nicht leisten, weder finanziell noch zeitlich. Genug Gründe für die CMS Stiftung, die Rechtshotline der Stiftung Alltagsheld:innen bereits seit der Initiierungsphase zu unterstützen.
Heidi Thiemann, selbst alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, ergänzt: „Das größte grundsätzliche Problem besteht darin, dass in unserer Gesellschaft Carearbeit keinen Wert hat und nicht anerkannt ist. Wir wollen strukturelle und systemische Herausforderungen wie diese adressieren und gleichzeitig Alleinerziehenden Angebote machen.“ Die vorliegende Studie sei daher wichtig, um politische Entscheidungsträger mit grundlegenden Informationen und Erkenntnissen zu versorgen. Die Ergebnisse zeigen: Alleinerziehende haben vor allem Beratungsbedarf bei der Regelung des Umgangs (60%) und des Unterhalts (52%) sowie bei der Regelung des Sorgerechts (39%) und bei konflikthaften Beziehungen mit Gewaltvorfällen (37%).
Strukturelle und systemische Herausforderungen adressieren
Der Forschungsbericht fasst die qualitative Befragung von 131 Rechtsratsuchenden in acht Thesen übersichtlich zusammen und leitet daraus Handlungsempfehlungen ab, die online einsehbar sind.
Daraus geht hervor: Familienrechtliche Entscheidungen werden als intransparent wahrgenommen, den Zusammenhang von Umgangs- und Unterhaltsrecht erleben Alleinerziehende als konfliktträchtig. Darüber hinaus werden die unzureichende Berücksichtigung von erlebter Partnerschaftsgewalt in sorge- und umgangsrechtlichen Fragen und eine mangelnde systematische Berücksichtigung der Kinder und ihrer Wünsche bemängelt. „Überrascht hat uns der Befund, dass die Mutter-Kind-Beziehung von allen Beteiligten als grenzenlos belastbar angesehen wird – auch von den befragten Müttern selbst“, sagt Studienleiterin Barbara Thiessen, Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Beratung und Geschlecht an der Universität Bielefeld. Heidi Thiemann ergänzt: „Die Ergebnisse zeigen die große Verunsicherung der Alleinerziehenden, ausgelöst durch die bestehende Familienrechts- und Beratungspraxis.“
Hotline häufig erster Kontakt mit Rechtssystem
Insgesamt hat sich seit der Einrichtung der Hotline im Jahr 2022 gezeigt, dass der Beratungsbedarf sehr hoch ist. Derzeit stehen 500 Personen auf der Warteliste, die wegen des großen Andrangs noch nicht beraten werden konnten. „Einige der Probandinnen hatten durch die Rechtshotline zum ersten Mal Kontakt mit dem Rechtssystem“, sagt Thiessen. „Das zeigt, wie wichtig solche niedrigschwelligen Angebote sind.“ Ein Grund mehr für die CMS Stiftung, die Förderpartnerin auch weiterhin dabei zu unterstützen, den Zugang zum Recht für Alleinerziehende zu verbessern.