„Ein echter Wirkungsfaktor“

In ihrem Handlungsfeld „Community Engagement“ fördert die CMS Stiftung u. a. den strukturellen Auf- und Ausbau der Dachverbände der studentischen Law Clinics in Deutschland – und damit indirekt den Zugang zum Recht, etwa für Geflüchtete und andere benachteiligte Menschen.


Quint Aly und Sophia Norda kommen gut gelaunt zum Treffpunkt des Gesprächs mit der CMS Stiftung in Hamburg. Der 22-Jährige ist Vorstand des Refugee Law Clinics Deutschland e. V., die 26-jährige Rechtsreferendarin am Landgericht Hannover ist Vorständin beim Dachverband Studentischer Rechtsberatungen (DSR). In den Mitgliedsvereinen beider Verbände beraten Jura-Studierende in etlichen deutschen Universitätsstädten benachteiligte Menschen und Studierende kostenlos in Rechtsfragen. Während sich die Refugee Law Clinics (RLCs) auf das Gebiet des Migrationsrechts konzentrieren, decken die DSR-Mitglieder meist zivilrechtliche Anfragen ab. Beide Verbände kümmern sich um bessere Strukturen, fachliche Unterstützung und Gehör für ihre Mitglieder. Ein Gipfeltreffen also.

Wenn man sich eure Arbeit anschaut, könnte man sich die Frage stellen: Warum gibt es euch zweimal?

(beide lachen) Quint Aly: Wir haben uns 2016 als Reaktion auf die Geflüchteten-Problematik gegründet, wir sind also aus einem gewissen politischen Selbstverständnis heraus entstanden und haben uns aufs Asylrecht spezialisiert. Aber das Rechtsdienstleistungsgesetz von 2008 hat natürlich grundsätzlich ermöglicht, dass Studierende auf sämtlichen Rechtsgebieten tätig werden und damit niedrigschwellige Rechtsberatung anbieten können. Aber es ist schon richtig: Strukturell betrachtet müssten wir ein Unterverband des DSR sein, auch wenn wir mit 35 Mitgliedern eine wesentlich größere und effizientere Struktur hatten …

Sophia Norda: … und ihr immer noch habt. Wir haben uns erst 2019 gegründet, befinden uns also noch im Aufbau, haben aber schon 18 Mitgliedsvereine in Deutschland. Die meisten sind Law Clinics für Zivilrecht, wir haben aber auch eine Climate Law, eine Tax Law und eine Startup Clinic für junge Unternehmen. Für alle ist natürlich Voraussetzung, dass ein Volljurist oder eine -juristin mitmacht, der oder die ein Auge auf die Beratungen hat.

Wie viele Studierende engagieren sich insgesamt in euren Verbänden vor Ort?

Norda: Vielleicht so 800.

Aly: Das können wir gar nicht genau sagen, über tausend. Aber damit sind wir mitten in der Förderung der CMS Stiftung, die uns beim Aufbau des IT-Programms „Law & Orga“ unterstützt, einem kostenfreien Aktenverwaltungsprogramm, in das wir auf Anregung der Stiftung auch einen Statistik-Teil einbauen und dann solche Daten erheben können. Grundsätzlich dient das datenschutzkonforme Programm dem Erstellen, der Durchsuchung, Verwaltung und Vereinheitlichung von Akten. Man kann aber auch Arbeitsgruppen damit aufsetzen.

Was beinhaltet die Förderung der CMS Stiftung beim DSR?

Norda: Die Stiftung hat den Gründungsprozess fachlich und finanziell unterstützt und begleitet ihn weiterhin als struktureller Förderer. Damit war es zum Beispiel möglich, dass unser Vorstandstreffen das erste Mal trotz Corona in Berlin stattfinden konnte. Oder dass innerhalb eines Ausbildungsprogramms Anwält:innen in verschiedene Städte zu unseren Law Clinics reisen, um dort Aus- und Weiterbildungsvorträge zu halten. Die CMS Stiftung kümmert sich um Sachen, die erst einmal nicht so sexy sind, also um Struktur und Personal, Reisekosten und Veranstaltungen. Dabei sind es genau diese Förderungen, die zählen, für die es aber schwer ist, Mittel einzuwerben.

Aly: Stimmt total! Die CMS Stiftung hat verstanden, dass man auch den Aufbau und Erhalt von Strukturen fördern muss. Das ist ein echter Wirkungsfaktor, mit dem wir noch viel erreichen können.

Was meinst du damit?

Aly: Vielleicht hilft es sogar, damit sich in Deutschland noch vieles für uns ändert. Hier findet bislang eine Anerkennung der Arbeit in den Law Clinics für das Studium überhaupt nicht statt. Es würde Sinn machen, wenn sich die Universitäten als wesentliche Stakeholder begreifen, die Ownership übernehmen und die Ressourcen bereitstellen.

Norda: Manche machen das allerdings schon. In Hannover zum Beispiel gibt es eine Law Clinic, an der man das Anwaltspraktikum ersetzen kann, wenn man ein halbes Jahr in der Law Clinic mitmacht. In anderen Fällen wird die Mitarbeit wie ein Seminar angerechnet.

Gesellschaftliches Engagement und damit Impact als integrierter Bestandteil des Studiums?

Norda: Genau. Grundsätzlich spielt die juristische Ausbildung eine wichtige Rolle auch bei der Sozialisation der nächsten Generation von Anwält:innen, Richter:innen und politischen Entscheidungsträger:innen. Die studentischen Rechtsberatungen leisten da einen wichtigen Beitrag: Erstens durch den Praxisbezug schon während des Studiums und zweitens prägen sie das kritische Bewusstsein für gesellschaftliche Bedarfe beim Nachwuchs. Ich sehe aber auch heute schon einen Mehrwert: Der Umgang untereinander ist ein bisschen sozialer. Wir sind so etwas wie eine kleine Familie geworden.

Aly: Und es geht noch weiter. In Zukunft wird in Deutschland kein Anwalt und keine Anwältin mehr auf dem Asylrechtsgebiet beraten, ohne vorher in einer Refugee Law Clinic gewesen zu sein. Sie werden sich untereinander kennen, weil sie gemeinsam im Verband zusammengearbeitet haben – und das macht letztendlich den Mehrwert für geflüchtete Menschen aus.