Wissen teilen für weniger Leid

Die Fälle von Kinderpornografie im Internet nehmen seit Jahren zu. Der Verein „Dunkelziffer“ organisiert deshalb Seminare und Fachtagungen mit Expert:innen, um deren Know-how an Mitarbeitende in Justizbehörden weiterzugeben. Mitfinanziert wird dieser bundesweit einmalige Ansatz von der CMS Stiftung im Rahmen ihres Handlungsfelds „Legal Empowerment“.


Wer zu Nick Knatterton möchte, braucht selbst einen guten Spürsinn. Frankfurt am Main, Nähe Konstablerwache, ein Parkhaus. Durch eine Passage geht es in einen Hinterhof durch eine Tür zu den Fahrstühlen, hinauf in den siebten Stock, Eckbüro. Nick Knatterton grinst. „Ja“, sagt der hoch aufgeschossene Mann, der eigentlich Andreas May heißt. „Wir sind hier etwas inkognito, schließlich legen wir keinen großen Wert auf Publikumsverkehr. Bei dem Thema …“

 

Sein Thema, das sind für den Leitenden Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main jegliche Formen der Internetkriminalität, die er von hier aus gemeinsam mit seinem fast 25-köpfigen Team bekämpft. Für seine Verdienste wurde ihm 2018 der Preis „Knatterton“ des Bunds deutscher Kriminalbeamter verliehen, in Anlehnung an den berühmten Comic-Detektiv. Eine hohe Auszeichnung, auf die er ein wenig stolz sei, so May.

 

Zu Recht: Denn May steht von Beginn an der 2010 gegründeten Zentralstelle gegen Internetkriminalität (ZIT) vor, die eng mit dem Bundeskriminalamt (BKA) zusammenarbeitet. Es geht hier um Cybercrime, das Darknet, Hate Speech – und Kinderpornografie. „Die Masse der Verfahren allein in diesem Bereich erschlägt uns“, sagt May. „Die Zahlen steigen von Jahr zu Jahr.“

 

May ist seit fast 30 Jahren Staatsanwalt. Seine Erfahrungen geben er und seine Kolleg:innen gerne in Fortbildungen weiter, auch bei den Seminaren des Vereins „Dunkelziffer“, ebenfalls ein Schwergewicht mit bundesweitem Ruf: Seit 1993 hilft der Verein Jungen und Mädchen, die Opfer von sexualisierter Gewalt geworden sind, sowie deren Vertrauenspersonen – mit Beratungsgesprächen, Therapien und Präventionsarbeit. Doch das ist nicht alles. Um die mit dem Thema Kinderpornografie befassten Richter:innen, Staatsanwält:innen und Kriminalbeamt:innen immer wieder auf den neuesten rechtlichen Stand zu bringen, bietet der Verein dreimal im Jahr Seminare für sie an. Seltener finden zudem Fachtagungen statt – die nächste im Herbst 2022 – mit bis zu 200 Teilnehmenden auch aus Psychotherapie und Sozialarbeit, „bei denen wir einen knallharten Einblick in die tägliche Ermittlungsarbeit vermitteln“, sagt May. „Viele wissen nicht, was wir machen.“ Beide Formate werden von der CMS Stiftung im Rahmen ihres Handlungsfelds Legal Empowerment finanziert.

 

Andreas May hat sich über zehn Jahre lang als Referent für das Seminar-Modul „Rechtliche Grundlagen“ eingebracht, zuletzt haben drei Kolleginnen seine Rolle übernommen. Was May an den Seminaren und Konferenzen schätzt: Im Gegensatz zu behördlichen Fortbildungen seien jene von „Dunkelziffer“ interdisziplinär und ganzheitlich angelegt. May: „,Dunkelziffer‘ bringt die bundesweiten Key-Player aus den unterschiedlichen Bereichen verstetigt an einen Tisch. Das kann man kaum hoch genug schätzen.“ Auch deshalb, weil die Teilnehmenden über die Seminare hinaus Kontakt halten, sodass es mittlerweile ein gutes Netzwerk von Expert:innen gibt, die sich gegenseitig unterstützen. May lobt: „Der Angang von ,Dunkelziffer‘ ist einmalig.“

 

Und in Anbetracht der erschütternden Zahlen von hohem Wert: Laut Statistik wurden 2019 allein in Deutschland 12.000 Fälle von Kinderpornografie angezeigt, Tendenz steigend. Schon Ende der 90er-Jahre hatte man beim Verein registriert, dass das Thema Kinder- und Jugendpornografie im Internet immer drängender wurde. „Mit den Seminaren wollen wir alle an den Ermittlungen beteiligten Berufsgruppen stärken und befähigen“, sagt „Dunkelziffer“-Vorständin Vera Falck. Seminare und Konferenzen sollen das gesamte Thema aus den verschiedensten Perspektiven beleuchten, alle Beteiligten mit dem notwendigen und aktuellen Wissen aufladen, für das die hochkarätigen Referent:innen von BKA, Landeskriminalämtern, Therapeut:innen und eben der ZIT sorgen. Die Seminare sind dicht und intensiv – May nennt es „eine tägliche zehnstündige Druckbetankung“ –, ehe die Diskussionen oft bis in die Nachtstunden weitergehen. Und auch Vera Falck gibt hier Wissen aus der Vereinsarbeit weiter in den Diskurs der Teilnehmenden, selbst wenn sie sagt, dass der Verein nur die Plattform für den Austausch der Spezialist:innen ist. Know-how ist hier keine Einbahnstraße.

 

Dass die CMS Stiftung sich mit einer Teilfinanzierung an den Seminareen beteiligt, dafür ist Falck „voller Dankbarkeit“. Denn das Engagement kommt dem Rechtsschutz unserer Kinder zugute. „Und darauf kommt es doch letztlich an.“